Betreuung alter, kranker und behinderter Menschen
Frau S. lebt allein und wird von einem Pflegedienst fünf mal täglich versorgt; sie ist 98 Jahre alt und ist bettlägerig. Einmal pro Woche besuche ich sie; Heilig Abend verbringen wir mehrere Stunden mit ihr. Wenige Wochen später wird sie ins Krankenhaus eingewiesen; in Absprache mit der Betreuerin besuche ich sie dort täglich. Ihr Zustand verschlechtert sich von Tag zu Tag. Ich verlasse mich nicht auf die Zusage des Personals, mich zu benachrichtigen, wenn es dem Ende zugeht. Morgens um 8 Uhr besuche ich sie : sie reagiert kaum noch. Ich verabschiede mich von ihr. Nach meiner Arbeit am frühen Vormittag fahre ich wieder zu ihr. Sie atmet schwer und ruhig; wie gewohnt lege ich meinen linken Arm unter ihre Schultern, meine rechte Hand unter ihre Hand. Ich summe ihr Lieblingslied "Alle Tage ist kein Sonntag". Nach wenigen Minuten stockt ihr Atem , dann macht sie ihre letzten Atemzüge.
Mir ist so, als hätte sie auf mich gewartet.
Ehepaar K. kenne ich seit vielen Jahren; als er diesmal ins Krankenhaus kommt, ist sein Zustand kritisch. Meist sitze ich mit seiner Frau gemeinsam am Krankenbett. Als ich an einem späten Vormittag komme, ist Frau K. sehr erschöpft: sie war am Vorabend bis 22 Uhr und seit dem frühen Morgen an der Seite ihres Mannes. Sie geht nach Hause, um sich auszuruhen, ich bleibe bei Herrn K. Der freundliche und sehr zugewandte Pfleger teilt meine Meinung, dass es vielleicht bald dem Ende zugeht. Ich entscheide mich zu bleiben. Es ist nicht möglich, dass Herr K. auf ein Einzelzimmer verlegt wird. Sein Bettnachbar ist nicht zu überreden, eine Nacht in einem Mehrbett-Zimmer zu verbringen. Der Pfleger wollte mir ein Bett für die Nacht neben Herrn K. zustellen. Nun konnte er nur eine Trennwand zwischen die Betten schieben, ich blieb auf dem Stuhl neben dem Bett sitzen. In der Nacht wurde er K. immer ruhiger. Einmal dachte ich: ich hätte vielleicht doch nach Hause fahren sollen... Der Frühdienst versorgte und lagerte Herrn K.; mir brachten sie Kaffee und eine Kleinigkeit zu essen. Wenig später schnellte plötzlich der Oberkörper von Herrn K. hoch, er stieß einen Laut aus und öffnete die Augen. Ich hielt und stütze ihn; in meinen Armen tat er seine letzten Atemzüge.
Der Arzt fragte, ob ich sie seine Frau benachrichtigen würde - was ich tat. Wir verbrachten noch eine Weile gemeinsam am Totenbett, dann fuhr ich müde und glücklich darüber, dass ich geblieben war, nach Hause.
Albin Hoff
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